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Banken-Compliance bei der Verwaltung von Potentatengeldern. Aufsichts- und strafrechtliche Bemerkungen zum Fall CS/Wen Jiabao («China-Leaks»)


Nach Medienberichten, die auf der
Auswertung von «Offshore-Leaks»-Daten durch das International Consortium of Investigative Journalists
(ICIJ) mit Sitz in Washington gründen, waren Schweizer Grossbanken in den Jahren 2005/2006 in Geschäfte mit engen Fami- lienangehörigen des damaligen chinesischen Premierministers invol- viert. Dabei handelt es sich um sogenannte «Politically Exposed Per- sons» (PEPs), für die strenge bankenaufsichtsrechtliche und straf- rechtliche Sorgfaltsregeln gelten.

Die für die Schweiz geltende aktuelle Definition von
PEP findet sich in Art. 2 lit. a der (2010 erlassenen) Geldwäschereiverordnung der FINMA (GwV, SR 955.033.0). PEPs sind Personen mit prominenten öffent- lichen Funktionen im Ausland, wie etwa Staats- und Regierungs- chefs oder hohe Politiker und Amtsträger, sowie auch Unternehmen und dritte Personen, etwa Familienangehörige oder wirtschaftlich Be- vollmächtigte (bzw. enge Geschäftspartner), die solchen Personen er- kennbar
nahe stehen. PEP-Geschäftsbeziehungen sind für die Banken mit erhöhten Haftungs- und Reputationsrisiken verbunden. Dies besonders dann, wenn es sich um Angehörige von Machthabern aus Staaten mit hohen Korruptionsraten (oder massiven rechtsstaat- lichen Defiziten) handelt.

Eine Verpflichtung der Banken zu entsprechenden
Abklärungen und Vorsichtsmassnahmen bei der Aufnahme und Pflege von PEP-Ge-schäftsbeziehungen besteht nicht erst seit 2010. Schon 1998 (nach Bekanntwerden der grotesken Korruptionsfälle Mobutu und Abacha) entschied die damalige Eidgenössische Bankenkommission, die Sorgfaltsvorschriften von Geschäftsbeziehungen mit PEPs zu vertiefen. Ende 2001 ve
rabschiedete der Basler Ausschuss (Basel Committee on Banking Supervision of the Bank for International Settlements) Mindeststandards zur Kundenidentifizierung. Die Schweiz (vertreten durch FINMA und Nationalbank) war an der Ausarbeitung dieser Standards massgeblich beteiligt und initiierte beispielsweise die Regel, dass Geschäftsbeziehungen mit PEPs nur mit Zustimmung des obersten Geschäftsführungsorgans eingegangen werden dürfen. 2002 wurden die einschlägigen überarbeiteten Wolfsberg-Prinzipien (unter Mitwirkung u.a. von UBS und CS) verabschiedet. 2003 übernahm die Schweiz die 40 Empfehlungen der FATF zur Geldwäscherei- prävention, darunter auch die Empfehlung Nr. 6 betreffend PEPs (Erkennung von PEP-Kundenbeziehungen, Bewilligung durch die oberste Geschäftsführung, zusätzliche Abklärungen in Bezug auf die Herkunft der Vermögenswerte sowie fortlaufende Überwachung der Geschäftsbeziehungen zu PEPs). Künftig werden der PEP-Begriff und die betreffenden Sorgfaltspflichten direkt im Geldwäschereigesetz (GwG, SR 955.0) definiert und geregelt sein (vgl. Botschaft des Bundesrates zur Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen der FATF, BBl 2014, 605 ff., 620 ff.).


Bei den in den Medien dargelegten Geschäftsverbindungen von Grossbanken mit nahen Angehörigen des damaligen chinesischen Premierministers waren
besonders strenge Compliance-Regeln zu beachten. Dies umso mehr, als der Premierminister (zwischen 2003 und 2013) aktiv im Amt war. Solche Geschäftsverbindungen fallen Compliance-rechtlich in die höchste Risikoklasse. Im Fall «China-Leaks» stellt sich primär die Frage, ob die Banken die detaillierten Sorgfaltsvorschriften eingehalten haben, welche der Prüfung (und
periodischen Vergewisserung) dienen, dass die angelegten Vermö- genswerte und betreuten Geschäfte legaler Herkunft und Ausrichtung sind. Die Prüfung, ob dabei aufsichtsrechtliche Vorschriften verletzt wurden, obliegt der FINMA.

Geschäftsbeziehungen mit PEPs gelten in jedem Fall als Kundenkon- takte mit erhöhtem Risiko (Art. 12 Abs. 3 GwV). Abzuklären hat die Bank namentlich, ob ihre Vertragspartei an den eingebrachten Vermö- genswerten wirtschaftlich berechtigt ist, die Herkunft der einge- brachten Vermögenswerte, der Verwendungzweck abgezogener Vermögenswerte, die Hintergründe und die Plausibilität grösserer Zahlungseingänge, der Ursprung des Vermögens der Vertragspartei und der wirtschaftlich berechtigten Person, die berufliche oder geschäftliche Tätigkeit der Vertragspartei und der wirtschaftlich berechtigten Person, ob es sich bei der Vertragspartei oder der wirtschaftlich berechtigten Person um eine PEP handelt, und bei juristischen Personen, wer diese faktisch beherrscht (Art. 14 Abs. 2 GwV). Das oberste Geschäftsführungsorgan der Bank (oder mindestens eines seiner Mitglieder) entscheidet über die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen mit PEPs und alljährlich über deren Weiterführung (Art. 18 Abs. 1 lit. a GwV).

Wenn die Verantwortlichen es unterlassen, die Identität des wirtschaftlich Berechtigten mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt abzuklären, machen sie sich (nach Art. 305ter Abs. 1 StGB) strafbar. Die Sorgfaltsmassstäbe werden in Art. 3-8 des Geldwä- schereigesetzes sowie in der GwV konkretisiert (insbes. betreffend PEPs). Falls sich aufgrund der gebotenen Abklärungen ein Verdacht auf Geldwäscherei ergibt, indem die eingebrachten Vermögenswerte z.B. aus Korruption oder ungetreuer Amtsführung stammen könnten, ist die Bank verpflichtet, eine Verdachtsmeldung an die Meldestelle des Bundes zu erstatten (Art. 9 GwG) und die betroffenen Vermögenswerte zu sperren (Art. 10 GwG). Bei Widerhandlung gegen diese Verpflichtungen droht den Verantwortlichen ein Strafverfahren wegen Geldwäscherei (Art. 305bis StGB), mangelnder Sorgfalt bei Finanzgeschäften (Art. 305ter Abs. 1 StGB), Verletzung der Meldepflicht (Art. 37 GwG) und anderen Delikten.

© 22.01.2014 / Prof. Dr. Marc Forster

 

Siehe zum Fall «China-Leaks» auch Handelszeitung online vom 22.1.2014.