Derzeit wird öffentlich diskutiert, ob ein Facebook-User, der ein ehrverletzendes oder rassistisches Posting eines anderen Users mittels eines «Like» (Klick auf das «Daumen rauf»-Symbol) unterstützt, sich strafbar machen kann.
Die Ansicht, eine Strafbarkeit für den Absender des «Like» falle schon deshalb ausser Betracht, weil sein Verhalten von der Meinungsäusserungsfreiheit geschützt sei, geht am Strafrecht vorbei. Rassistische oder ehrverletzende Äusserungen und ihre Teilnahme daran sind von Gesetzes wegen gerade nicht von der Meinungsäusserungsfreiheit geschützt, sondern grundsätzlich strafbar (Art. 24-25, Art. 173 ff., Art. 261bis StGB).
Auch das Argument, ein Facebook-«Like» könne «mehrdeutig» sein bzw. sei nicht zwangsläufig als moralische Unterstützung gemeint, hilft wenig: Die strafrechtliche Relevanz eines Verhaltens ist nach objektivierten Kriterien zu prüfen. Die Behauptung, ein durchschnittlicher Facebook-User wisse nicht, was der «Like»-Button (bzw. das «Daumen rauf»-Symbol) bedeutet, erscheint wirklichkeitsfremd. Im Einzelfall wird ein Beschuldigter jedenfalls überzeugend darlegen müssen, inwiefern gerade er hier einem strafrechtlich relevanten «Irrtum» unterlegen sei bzw. das strafbare Posting gar nicht habe unterstützen wollen.
Aus strafrechtsdogmatischer Hinsicht stellt sich hier eine ganz andere Frage, nämlich die nach der Abgrenzung zwischen (strafloser) blosser Billigung einer Straftat und (strafbarer) psychischer Beihilfe (Art. 25 StGB) bzw. selbständigen Beihilfetatbeständen (des BT StGB). Die diesbezüglichen Kriterien sind nach herrschender Lehre und Praxis folgende:
Der psychische Gehilfe bestärkt den Täter seelisch in seinem Tatentschluss und erleichtert diesem damit die Durchführung der Straftat. Subjektiv muss der Gehilfe wollen oder zumindest in Kauf nehmen, dass er mit seinem unterstützenden Beitrag den Täter in dessen Tatentschluss (bzw. Dauertatverhalten) bestärkt (vgl. dazu Basler Kommentar StGB-Forster, Art. 25 N. 3). Zudem muss sich der Tatbeitrag des Gehilfen objektiv kausal auf den Erfolg der Haupttat auswirken; bloss versuchte Beihilfe ist nicht strafbar (BSK, Art. 25 N. 52). Die Unterstützung muss tatsächlich zur Straftat beitragen, ihre praktischen Erfolgschancen erhöhen und sich in diesem Sinne als kausal erweisen (sog. «Förderungskausalität»; BSK, Art. 25 N. 8).
Der Haupttäter muss aus dem Tatbeitrag somit einen konkreten praktischen Nutzen psychischer oder physischer Art ziehen, ansonsten fehlt es an einer Förderung der Haupttat. Blosse Billigung der Tat wäre noch keine psychische Gehilfenschaft (BSK, Art. 25 N. 10). Ein Facebook-«Like» kann die Haupttat auf zweifache Weise befördern: Erstens ist er dazu geeignet, den Urheber des Postings (Haupttäter) in seinem Tatentschluss bzw. Dauertatverhalten (Online-Halten des Postings) zu bestärken. Zweitens können «Likes» zudem zur weiteren Verbreitung der strafbaren Ehrverletzung oder rassistischen Hetze beitragen, indem andere User ermuntert werden, das Posting zu lesen (und evtl. ihrerseits zu liken und weiterzuverbreiten).
Primär ist bei den einzelnen in Frage kommenden Straftatbeständen jeweils zu prüfen, ob (über die
akzessorische Teilnahme, Art. 24-25 StGB, hinaus) ein selbständiger (täterschaftlicher) Beihilfetatbestand unter Strafe steht und erfüllt ist:
Beim Rassismustatbestand (Art. 261bis StGB) ist etwa an die Förderung rassistischer Propagandaaktionen oder an die öffentliche
Verbreitung rassistischer Ideologien zu denken (Abs. 2 und 3), bei Ehrverletzungen
an die Weiterverbreitung von übler Nachrede (Art. 173 Ziff. 1 Abs. 2 StGB). Diese selbständigen Beihilfetatbestände gehen der akzessorischen
Beihilfe als «leges speciales» vor
(BSK, Art. 25 N.
65). Auch der Versuch ist strafbar (BSK, Art. 25 N.
53).
Daraus ergibt sich (in den Grundzügen) folgendes Ergebnis:
Zu prüfen ist zunächst, ob ein ehrverletzendes oder rassistisches Posting einen selbständigen Beihilfetatbestand des BT StGB erfüllt. Akzessorische psychische Gehilfenschaft kommt (subsidiär) in Frage, wenn derjenige, der den «Like»-Knopf anklickt, will oder in Kauf nimmt, dass der Täter dadurch in seinem Tatentschluss (bzw. Dauertatverhalten) bestärkt wird. Zudem muss der «Like» das Dauerdelikt (objektiv) gefördert haben, d.h., er muss die Wahrscheinlichkeit erhöht haben, dass das Posting des Haupttäters weiter online bleibt bzw. weitere Beachtung findet.
Prof. Dr. Marc Forster, 6. April 2017